HINTEGRUNDINFORMATION: Warum führen die „Identitären“ genau am 17.06. eine Demonstration durch?

Das Datum und der Ort des Aufmarschs der „Identitären Bewegung“ sind nicht zufällig gewählt. Am 16. Juni 1953 kam es auf der von der Identitären Bewegung angemeldeten Route zu einer Demonstration von Arbeiter*innen gegen die autoritäre DDR-Führung. Am 17. Juni 1953 griff dieser Arbeiter*innenaufstand auf den Rest der DDR über. Während ein Teil der Aufständigen für bessere Lebensbedingungen kämpfte, kam es lokal aber auch immer wieder zu Racheakten auf Antifaschist*innen durch Anhänger*innen des zerschlagenen NS-Systems und der Forderung nach der Wiedervereinigung Deutschlands. In der BRD war der 17. Juni bis 1990 deshalb als „Tag der deutschen Einheit“ ein Feiertag und bis heute wird er bei rechten Gruppierungen wie der Identitären Bewegung oder den Jungen Nationaldemokraten (JN) als Tag des „Volksaufstandes“ begangen. Die Demonstration am 17. Juni 2016 reiht sich somit ein in die Strategie der Identitären Bewegung historische Ereignisse symbolisch aufzuladen und zu besetzen. Diese Strategie zielt darauf ab die eigene Praxis in eine eigens konstruierte historische Kontinuität zu stellen, um damit die eigenen Ziele historisch legitimieren zu können.

Der Naziaufmarsch am 07.05.2016 in Berlin und die Gegenproteste

Vorweg: Die großmäulig angekündigte Mobilisierung der Nazis ist gescheitert!

Das erklärte Ziel des Anmelders Enrico Stubbe (Pro Deutschland) war es, 5000 „besorgte Bürger“ auf die Straße zu bringen. Liefen im März noch ca. 2000 Rechte durch Berlin, schaffte es am 07.05.16 nur noch die Hälfte, sich am Washingtonplatz zu sammeln und unter dem Motto „Merkel muss weg“ auf die Straße zu gehen.
Geprägt wurde das Bild der Demonstration durch organisierte Neonazis und rechte Hooligans aus ganz Deutschland. So hielt Alexander Kurth (Die Rechte, Sachsen) bei der Kundgebung am Washingtonplatz eine Rede. Während der Demonstration wurden neonazistische Parolen gerufen und der Hitlergruß gezeigt. Verweigerte am 12.03.16 die AFD, aufgrund anstehender Landtagswahlen, noch die Teilnahme an der ersten „Merkel muss weg“ Demonstration, traten sie diesmal ganz selbstverständlich auf. Johannes Sundermann und weitere AFD-Mitglieder machten auf der Demo Werbung für die AFD-Parteiorganisation „Patriotische Plattform“.

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Einseitiger Polizeieinsatz in Marzahn Hellersdorf wird scharf kritisiert

— Pressemitteilung – Berliner Bündnis gegen Rechts – 11.05.2016 —

Das Berliner Bündnis gegen Rechts kritisiert den Polizeieinsatz im Zuge der Proteste gegen die rechte Demo „Sicherheit statt Angst“, die am  02.04.2016 im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf stattgefunden hat.

Wie es einer parlamentarischen Anfrage des LINKEN-Abgeordneten Hakan Tas an den Berliner Senat deutlich wird, ging die Berliner Polizei sehr einseitig gegen Gegendemonstrant*innen der Nazidemonstration vor.
Aus den Antworten ist zu entnehmen, dass ein Großteil der Festgenommenen auf Seiten der Nazigegner*innen zu finden ist. Von den insgesamt 1300 Antifaschist*innen wurden 127  Personen festgenommen. Viele davon saßen mehrere Stunden in einem Polizeikessel, nachdem sie eine friedliche Sitzblockade auf der Wegstrecke der Nazidemonstration versucht hatten.

Zusätzlich verschafften sich Polizeikräfte, ohne vorherige Absprache mit Verantwortlichen, Zugang zur Alice-Salomon-Hochschule und beschlagnahmten ein Transparent der Protestierenden.
Lotte Schäfer vom Berliner Bündnis gegen Rechts dazu: „Die  Antworten, die wir auf die schriftliche Anfrage an den Berliner Senat bekommen haben, sind mehr als unbefriedigend. Beispielsweise wurde der  Einsatz in der Alice-Salomon-Hochschule damit legitimiert, dass die  Demonstrant*innen anscheinend auf ihren Transparenten zu Straftaten aufgerufen hätten.“
Das Transparent der Nazis mit der Aufrschrift: „Linksfaschisten haben Namen und Adressen – Gemeinsam holen wir uns unsere Stadt zurück“ wäre jedoch zu unbestimmt, um den Verdacht auf eine Straftat zu begründen.“

Festnahmen auf Seiten der rechten Demonstration, beispielsweise wegen des Zeigens des Hitlergrußes oder des Tragens verbotener Quarzsandhandschuhen, gab es, trotz bildlichem Beweismaterial, nicht.

Schäfer dazu: „Die Nazis konnten an diesem Tag immer wieder aus ihrer  Demonstration ausbrechen und auf Gegendemonstrant*innen losgehen, während die Polizei damit beschäftigt war, die Proteste in Marzahn Hellersdorf aufs Schärfste anzugehen. Ein so einseitiger Polizeieinsatz zeigt mal wieder: Innensenator Henkel macht nicht nur möglich, dass 140 zum Teil organisierte Neonazis durch einen Berliner Bezirk ziehen können, er sorgt auch dafür, dass diejenigen, die dagegen Widerstand leisten, immensen staatlichen Repressionen ausgesetzt werden.

www.facebook.com/berlinerbuendnisgegenrechts

Quellen:
Parlamentarische Anfrage Hakan Tas (1):
http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/SchrAnfr/S17-18338.pdf
Parlamentarische Anfrage Hakan Tas (2):
http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/SchrAnfr/S17-18386.pdf
Pressemitteilung der Berliner Register und ReachOut für das Jahr 2015
http://berliner-register.de/content/gemeinsame-pressemitteilung-der-berliner-register-und-der-opferberatungsstelle-reachout-f%C3%BCr

Bildmaterial:
https://www.flickr.com/photos/soerenkohlhuber/26129115531/in/album-72157666624764866/
https://www.flickr.com/photos/theoschneider/26100898312/in/album-72157664400777213/
https://www.flickr.com/photos/neysommerfeld/26128167601/

Pressespiegel zur „Merkel-muss-Weg“-Demo und den Gegenprotesten am 7. Mai 2016 in Mitte

Abendschau-Beitrag (rbb)

rbb: Proteste gegen rechte Großdemo in Berlin-Mitte

Artikel aus Zeitungen

Zeit : Rechte Demo erfährt große Gegenwehr

Frankfurter Rundschau: Tausende protestieren gegen rechte in Berlin

taz: Gegendemo füllt Berlin-Mitte

Berliner Zeitung: Nazi-Demo in Berlin, Rechtsradikale attackieren linke Politiker Hakan Taş

Bilder

https://www.flickr.com/photos/142691568@N06/albums/72157667870407761/with/26782673052/

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https://www.flickr.com/photos/igornetz/albums/72157665682622144/page1

https://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157668002813256

Pressespiegel zum Naziaufmarsch am 2. April 2016 in Marzahn-Hellersdorf

02.04.2016, RBB: Rechten-Demo zieht unter Gegenproteste durch MaHe

02.04.2016, Berliner Morgenpost: Demo in Hellersdorf – 200 Rechte, 400 Linke, 550 Polizisten

02.04.2016, Zeit Online: Gegendemonstranten blockieren Neonazi-Demo

02.04.2016, Tagesspiegel: Ticker zur Demo der Rechten

02.04.2016, B.Z.: Linke blockieren rechte Demo in Hellersdorf

02.04.2016, Berliner Zeitung: Linke blockieren in Marzahn-Hellersdorf rechte Demonstration

02.04.2016, neues deutschland: Blockaden behindern Nazi-Aufmarsch in Hellersdorf

03.04.2016, Die Welt: 134 Festnahmen bei Demonstration in Marzahn-Hellersdorf

03.04.2016, Tagesspiegel: 134 Personen bei rechter Demo und Blockade festgenommen

03.04.2016, Berliner Zeitung: 134 Festnahmen bei Demonstration in Marzahn-Hellersdorf

03.04.2016, neues deutschland: Bündnis gegen Rechts beklagt Gewalt der Polizei

Kurze Einschätzung der Proteste gegen den Naziaufmarsch am 2.4.2016 in Berlin-Hellersdorf

Unser Erfolg

Am 2.4.2016 haben wir als Berliner Bündnis gegen Rechts zusammen mit 1300 Antifaschist*innen versucht den Naziaufmarsch in Marzahn-Hellersdorf zu verhindern.
Teile der organisierten Neonaziszene aus Marzahn, die immer wieder durch rassistische Übergriffe auffallen, wollten unter dem Motto „Sicherheit statt Angst“ durch Marzahn/Hellersdorf marschieren.
Wir konnten durch mehrere Menschenblockaden den Naziaufmarsch massiv behindern. Die geplante Route der Nazis wurde blockiert. Mit 2 Stunden Verspätung war es ihnen dann nur noch möglich eine verkürzte Demonstration abzuhalten.
Unterstützung bei unseren Gegenprotesten erhielten wir auch von Anwohner*innen, die sich solidarisch mit den Menschen auf der Straße zeigten. Die Blockaden wurden beispielsweise mit Essen, Getränken und Eis versorgt. Hierfür nochmal ein riesiges Dankeschön.

Einschätzung des Naziaufmarsches und seiner Wirkung

Unter dem Motto „Sicherheit statt Angst“ versammelten sich lediglich 200 Nazis am Alice-Salomon-Platz. Ihr Ziel eine anwohner*innen- und bürgerfreundliche Demonstration abzuhalten haben sie nicht erreicht. Überwiegend Neonazis im Stil der Autonomen Nationalisten und Mitglieder neonazistischer Parteien, wie der NPD oder „Der III. Weg“ waren anwesend. Unterstützung erhielten sie aus den umliegenden Bundesländern. Ein Schulterschluss mit Bürger*innen aus Marzahn/Hellersdorf gelang nicht.
Aus ihrem Aufzug heraus kam es immer wieder zu rassistischen und antisemitischen Beleidigungen und Bedrohungen. Ihr Versuch aus dem Aufmarsch heraus Gegendemonstrant*innen anzugreifen wurde von der Berliner Polizei nur zögerlich unterbunden. Während der Anreise der Nazis kam es zu mindestens einem organisierten Angriff auf Antifaschist*innen.
Skandalös ist auch die Teilnahme des AFD Politikers Heribert Eisenhardt. Dieser ist auch regelmäßig bei „Bärgida“-Aufmärschen präsent und hat anscheinend kein Problem mit dem Schulterschluss zu strammen Neonazis.
Die Nazis waren nicht in der Lage an ihre Erfolge in Marzahn aus dem Jahr 2014 anzuschließen und eine breite Masse an Anwohner*innen auf die Straße zu bringen.

Das Verhalten der Berliner Polizei

Die Berliner Polizei hat an diesem Tag wieder einmal antifaschistischen Protest kriminalisiert.
Mit massiver Gewalt wurde gegen die friedlichen Menschenblockaden vorgegangen. Antifaschist*innen wurden mit Tritten und Fäusten traktiert. Der massive Einsatz von Pfefferspray und Hunden ist nicht nachvollziehbar und skandalös. Ein antifaschistisches Banner, das Studierende aus der Alice-Salomon- Hochschule hingen, wurde beschlagnahmt. Die Hochschule wurde zweimal unter fadenscheinigen Begründungen gestürmt und zwei Studierende festgenommen.
Dieses Verhalten ist offensichtlich politisch bestimmt. Unter dem Vorwand, dass Versammlungsrecht durchzusetzen, betreibt die Berliner Polizei eine faktische Unterstützung von rassistischen Aufmärschen in der Stadt. Die Resultate sind Angriffe von Neonazis auf Gegendemonsstrant*innen, das Zeigen des Hitlergrußes und das Verbreiten von volksverhetzender Propaganda aus dem Aufmarsch heraus.

Fazit

Wieder einnmal sind nicht genügend Menschen nach Marzahn / Hellersdorf gekommen, um einen Naziaufmarsch zu verhindern. Es hat sich aber gezeigt, dass wir mit dem Berliner Bündnis gegen Rechts auf dem richtigen Weg sind. Wir werden weiterhin versuchen in Berlin einen breiten und offensiven Protest zu etablieren. Wir brauchen mehr engagierten Menschen vor Ort, mehr Antifaschist*innen aus der Innenstadt und eine alarmierte Zivilgesellschaft.
Marzahn war für uns nur der Anfang. Wir müssen noch viel gemeinsam lernen, verbessern und etablierte Aktionsformen kritisch hinterfragen.

Wir danken allen die mit uns auf der Straße waren und sich solidarisch gezeigt haben. Keinen Meter den Brandstifter*innen!