Der Krieg in der Ukraine hat mit der militärischen Offensive durch Putin neue Dimensionen erreicht. Die Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung sind Kriegsverbrechen. Dagegen zu protestieren ist überall auf der Welt richtig und wichtig.
Durch nichts zu rechtfertigen ist der Rassismus, der in der Bundesrepublik deutlich zunimmt. Auch in Berlin ist erneut eine Zunahme an rassistischer Gewalt zu verzeichnen. Diese Gewalt richtet sich auch gegen Menschen, die vermeintlich aus Russland kommen. Es reicht an der falschen Stelle russisch zu sprechen, um verbal und körperlich attackiert zu werden. Die Vorfälle, bei denen sich Menschen unbegründet für den Angriffskrieg Russlands rechtfertigen müssen und Anfeindungen angeblicher Friedensfreund*innen ausgesetzt sind, häufen sich.
Sowjetische Ehrenmäler, die an die Befreiung vom Nationalsozialismus erinnern, werden mit Parolen beschmiert, die den aktuellen Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukrainie mit dem Angriff des deutschen Faschismus auf die Sowjetunion 1941 gleichsetzen. Das verharmlost den deutschen Vernichtungskrieg im Osten und viele Deutschen nehmen diese Gelegenheit, die eigene Geschichte erträglicher zu machen, nur allzu gerne wahr.
Alle Sowjetrepubliken (heute 14 einzelne Staaten) waren an der Befreiung vom Faschismus beteiligt. Deshalb wird allen Völkern der damaligen Sowjetunion am 8./9. Mai gemeinsam gedacht. Auch und gerade in diesem Jahr erinnern wir an den Schwur der Befreiten des Konzentrationslagers Buchenwald: „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!“
Wir wenden uns gegen historisch falsche Gleichsetzungen und die Instrumentalisierung von Geschichte! Wir fordern eine konsequente Unterscheidung zwischen dem Angriffskrieg der russischen Regierung und dessen Verurteilung und den Übergriffen auf russische Menschen und solche, die als russisch gedeutet werden! Wir stehen solidarisch an der Seite der Menschen, die diesen Angriffen ausgesetzt sind. Unter Kriegen leidet zuerst und immer die Zivilbevölkerung, egal welche Nationalfahne weht.
Solidarität ist die Antwort
In den ersten Wochen des Angriffskrieges haben sich Hunderttausende an den Friedensdemonstrationen beteiligt, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Trotzdem hat unter dem Label der „Solidarität“ die Ausbeutung von ukrainischen Arbeitskräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt begonnen. Nicht nur Gewerkschaften äußern die Befürchtung, dass deutsche Unternehmen die Not der Kriegsflüchtlinge ausnutzen, um „billige“ Arbeitskräfte einsetzen zu können. Sprachbarriere und fehlende Anerkennung von Abschlüssen führt dazu, dass Geflüchtete aus der Ukraine gezwungen sind, ihre Arbeitskraft unter Wert zu verkaufen. Gleichzeitig häufen sich Vorfälle, die eine diskriminierende, rassistische Hierarchisierung von Geflüchteten nach dem jeweiligen Herkunftsland bzw. ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit erkennen lassen. Bei ihrer Flucht wurden vor allem people of colour sowie Sinti und Roma an der Aus- und Einreise gehindert. Diese Vorgehensweise reiht sich in eine systematische rassistische Diskriminierung von Geflüchteten an den europäischen Grenzen ein. Das Menschenrecht auf Flucht wird nur bestimmten Gruppen gewährt, vorwiegend weißen Personen christlichen Glaubens. Das zeigt sich auch daran, dass in Belarus Menschen weiterhin auf ihrer Fluchtroute in die EU gehindert werden.
Wir fordern echte Solidarität im Sinne einer Gleichbehandlung aller Geflüchteten – die Aufnahme aller aus der Ukraine flüchtenden Menschen. Sie brauchen freien und selbstbestimmten Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt und sofortige, unbefristete und bedingungslose Aufenthaltserlaubnis in Deutschland.
Ein kritischer Blick ist notwendig
In Teilen der Medien wird eine Erzählung vom wehrhaften, mutigen ukrainischen Volk bemüht und ins Heroische verklärt. Die mediale Darstellung übersetzt die reale Verzweiflung, Not und Angst in Heldengeschichten, die in pathetischer Sprache vorgetragen werden. Diese Geschichten werden von seit langem erstarkten nationalistischen Strömungen und Stimmungsmache begleitet und genährt. Ohne die Notwendigkeit der militärischen Verteidigung in Frage zu stellen, dürfen die aggressiven Seiten dieses Nationalismus nicht ausgeblendet werden: Männer im wehrpflichtigen Alter dürfen die Ukraine nicht verlassen. Sie können nicht selbst bestimmen, ob sie sich dem Krieg aussetzen oder nicht. Ein Großteil der russischen Soldaten ist nicht freiwillig ins Nachbarland eingefallen, zu dessen Bevölkerung Viele persönliche und familiäre Beziehungen haben. Leid und Trauer der Familien der Kämpfenden und im Krieg Getöteten werden nicht angemessen medial thematisiert.
Wir fordern Aufnahme und Schutz aller Menschen, die sich nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligen wollen.
Konsequent gegen jeden Krieg
Putins Kriegspropaganda bezieht sich auf den Sieg gegen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg und behauptet, die Ukraine müsse entnazifiziert werden, um so den Angriffskrieg zu rechtfertigen. Versatzstücke russischer Geschichte werden verwendet, um der Ukraine ihr Recht auf Unabhängigkeit und territoriale Integrität abzusprechen. „Sicherheitsinteressen“ gegenüber der NATO, die schon bei der Annexion der Krim benutzt wurden, werden erneut angeführt. Diese Propaganda findet nicht nur in Russland Anschluss. Auch in Deutschland zeigen Kriegsbefürworter*innen ihre Zustimmung zum russischen Angriffskrieg. Dem stellen wir uns entgegen.
Gleichzeitig protestieren in Russland Menschen gegen den Krieg. Trotz harter staatlicher Repression zeigen sie sich auf vielfältige Weise solidarisch mit den Menschen in der Ukraine.
Wir sind solidarisch mit allen Menschen in Russland, die sich aktiv gegen den Krieg wenden. Wir verurteilen die propagandistischen Kriegskundgebungen in Deutschland und anderswo.
Berliner Bündnis Gegen Rechts
April 2022